1. Etappe: von Braunschweig nach Rothenburg ob der Tauber

„Early Adopter“ nennt man im Marketing Menschen, die zu den ersten gehören, die technische Neuerungen nutzen. Bei den Elektroautos sind dies nach einer Studie des Fraunhofer Instituts gut ausgebildete Männer mittleren Alters, die in Vorstädten leben und sich für Technik begeistern. Auch über 50jährige mit hoher Technikaffinität sowie Personen mit hoher Umweltorientierung kommen als potenzielle Käufer in Frage. Alle Gruppen sind überdurchschnittlich gebildet und verfügen über ein höheres Einkommen.

Dass Fahrspaß, Individualität und Umweltfreundlichkeit bei unserer Entscheidung für ein Elektroauto eine große Rolle gespielt haben, können wir bestätigen. Dafür haben wir einen im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen dieser Klasse etwas höheren Anschaffungspreis in Kauf genommen.

Altdieselprämie und Elektroförderung haben den Ausschlag gegeben, als wir unseren Audi A2 Diesel mit 386.000 Kilometern auf dem Tacho vergangenes Jahr durch ein Auto dieser Klasse ersetzen mussten.

Das Design des BMW i3 hat von Anbeginn polarisiert. Gerade das macht das Auto zum Individualisten. In jedem Fall fällt es auf. „Sportlich-futuristisch“ kam mir in den Sinn, als ich das Auto zum ersten Mal sah.

Unser Reiseauto: der BMW i3

Fasziniert hat uns die Verwendung neuer Werkstoffe für Karosserie und Innenraum. Statt aus schwerem Stahl ist die Fahrgastzelle aus Carbon geformt, das Chassis besteht aus Aluminium und die Karosserie aus Kunststoff. Mit diesem Leichtbau könnte der Wagen Beschleunigungswerte eines Sportwagens schaffen. Um die Reichweite zu halten, musste die Höchstgeschwindigkeit allerdings auf 150 km/h begrenzt werden. Mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Batterien könnte dieser Wehrmutstropfen bald der Vergangenheit angehören. Erst kürzlich wurde die Kapazität auf 42,2 kWh erhöht.

Im „Project i“ beschäftigte sich BMW seit 2007 mit der Entwicklung umweltfreundlicher Elektroautos. Während andere Hersteller für ihre Modelle die gleiche Karosserie verwenden, hat BMW den i3 von Grund auf neu konstruiert. In Leipzig entstand eine eigene Fabrik, die ihren Strom aus Windrädern bezieht. Ein Video gewährt spannende Einblicke in die Produktion.

Weil die schwere Batterie unter den Passagieren im Fahrzeugboden platziert ist, hat der Wagen einen niedrigen Schwerpunkt. Kurvenfahren macht trotz der schmalen, jedoch effizienten Reifen richtig Spaß. Wir sitzen recht hoch, was uns das Sicherheitsgefühl eines SUV vermittelt.

Auch der großzügig gestaltete Innenraum lässt meinen, in einem weitaus größeren Auto zu sitzen. Das liegt unter anderem daran, dass die Mittelkonsole entfällt.

Innenraum des i3: Viel Platz und ungewöhnliches Design

Sitze, Instrumententafel und Türverkleidungen sind aus Naturfasern. Das Armaturenbrett ist teilweise aus Eukalyptusholz und besticht durch sein unkonventionelles Design.

Schnell haben wir uns an das lautlose Gleiten durch die Straßen gewöhnt. Mit den hohen Beschleunigungswerten beim Anfahren haben wir schon manchen Verbrenner an einer Ampel alt aussehen lassen. Insgesamt wird BMW damit seinem 1965 entwickelten Slogan „Freude am Fahren“ gerecht.

Dieser Spaß und der Reiz des Neuen sind es, die über manche Anfangsschwierigkeit hinwegsehen lassen. Schließlich nehmen wir hautnah teil am Beginn eines neuen Zeitalters der Mobilität.

Start bei winterlichen Temperaturen

Bei einem Elektroauto fehlt weitestgehend die Abwärme, die beim ineffizienterem Verbrenner durch den Motor entsteht. Das Auto heizt sich nicht von selbst auf. Weil die Heizung Strom aus der Antriebsbatterie saugt, ist auf längeren Fahrten trotz Wärmepumpe ein sparsamer Umgang angezeigt.

Laut Wettervorhersage war an diesem Tag mit einem letzten Wintereinbruch inklusive Schneefall zu rechnen. Wir haben uns deshalb am Morgen warm angezogen. Ähnlich wird es den Pionieren des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergangen sein.

Erster Halt: Kauf Park Göttingen

Unser erster Halt führte uns sicherheitshalber nach 110 Kilometern zu einer Ladestation eines direkt an der A7 gelegenen Einkaufszentrums. Der Schnelllader am Rande des Parkplatzes ist nicht leicht zu finden. Im vergangenen Jahr hatte der ADAC öffentliche Ladesäulen getestet und danach von von Betreibern und Genehmigungsbehörden gefordert, für eine bessere Sichtbarkeit der Säulen zu sorgen. Wünschenswert sei, dass diese ebenso wie Tankstellen für konventionelle Kraftstoffe zu erkennen seien.

Über das Ladekabel kommt die Wärme zurück ins Auto. Während des Ladevorgangs zieht die Klimaanlage den Strom nicht aus der Batterie. Wir können getrost heizen.

Wintereinbruch vor dem Kirchheimer Dreieck

Kurz vor dem Kirchheimer Dreieck sind die Bäume links und rechts der Autobahn mit einer feinen Schicht Schnee überzogen. Die Temperatur fällt.

Zweiter Halt: SVG-Autohof Kirchheimer Dreieck

Die Ladestation liegt auf einem Bus-Parkplatz neben der Tankstelle vor dem Rasthaus Hessenland. Um uns herum rangieren große LKW. An dem am meisten frequentierten Knotenpunkt Deutschlands herrscht geschäftiges Treiben. Etwa 100.000 Fahrzeuge sollen täglich die Abzweigung passieren, die 1940 in Betrieb genommen wurde. Hier treffen die Autobahnen Hamburg – Frankfurt, Hamburg – München, Frankfurt – Berlin, Frankfurt – Dresden und Köln – Dresden zusammen. Erstaunlich, dass es nur zwei Ladesäulen gibt. Glücklicherweise sind sie nicht belegt. Im nicht weit entfernten Supermarkt versorgen wir uns mit heißen Getränken. Nach 30 Minuten geht es weiter.

Dritter Halt: Ionity Eurorastpark Eichenzell

Am Dreieck Fulda halten wir am Euro Rastpark Eichenzell. Hier warten vier Ladesäulen und zwei andere Ladestationen. Wir treffen auf einen Audi E-Tron SUV. Leider sind die Säulen freistehend ohne Überdachung. Bei widrigen Wetterverhältnissen ist das Tanken kein Spaß. Dafür stimmt die Infrastruktur: ein großer Shop, WCs und ein Gasthaus.

Kurz vor Rothenburg steuern wir zu Testzwecken eine Fastned-Ladestation in Uffenheim an. Wer sich hier langweilt, weil es nicht viel gibt, kann sich die Zeit vertreiben mit der Geschichte des 2011 von Bart Lubbers und Michiel Langezaal in den Niederlanden gegründeten Unternehmens.

Fastned: Anspruch versus Realität

Seine Mission sieht Fastned darin, dem Elektrofahrer Freiheit zu geben, liest man auf der firmeneigenen Webseite. Das Unternehmen hat sich vorgenommen, ein europäisches Netzwerk von 1.000 Schnelladestationen an „erstklassigen Standorten“ zu errichten. Dort sollen alle Elektroautos mit Strom aus Sonne und Wind aufgeladen werden. Zusammen mit Smatrics (Österreich), Sodetrel (Frankreich), Grønn Kontakt (Norwegen) und Gotthard FastCharge (Schweiz) betreibt Fastned mehr als 500 Schnellladestationen in sechs Ländern. Seit April 2017 expandieren die Niederländer nach Deutschland.

Fastned-Ladestation in Uffenheim

Der Standort neben einer Shell-Tankstelle ist gut gewählt. Das versprochene „WOW-Kundenerlebnis“ bleibt dennoch aus. Unter dem viel zu hoch angesetzten futuristischen Dach bläst der Wind den Regen vor sich her. Zeit, sich nach einigen Schlückchen erneuerbarer Energie wieder auf den Weg zu machen.

Ein weiterer Dämpfer stellte sich ein, als wir nach unserer Rückkehr die Abrechnung von NewMotion erhielten. Fastned hatte 61 Cent pro kWh berechnet. Ein teurer Spaß. Mit Maingau hatte es an anderen Stationen nur 25 Cent/ kWh gekostet.

Fehlende Preistransparenz

Selten wird der Betreiber-Preis pro Einheit auf der Ladesäule angegeben. Gleiches gilt für den pro Ladung zu zahlenden Betrag. Gelegentlich hat man noch nicht einmal über die App einen Überblick über die anfallenden Kosten und muss auf die Rechnung warten. In seinem Test kam der ADAC zu dem Schluss, Bedienkomfort, Informationen und Preistransparenz seien noch weit von den gewohnten Standards herkömmlicher Zapfsäulen entfernt. Von den insgesamt 53 getesteten Ladesäulen erhielt nur eine „sehr gut“, 29 waren „gut“, 17 „ausreichend“ und sechs „mangelhaft“.

Verbrenner als Vorbild

Schaut man zurück in der Geschichte der des Automobils, wird deutlich: der Schlüssel zum Erfolg war die Verbreitung von Tankstellen. Die ersten Autofahrer kauften ihren Treibstoff noch bei Kolonialwarenhändlern oder in Gaststätten. Aus Flaschen oder Kanistern wurde dieser selbst aufgefüllt. Pfiffige Einzelpersonen kauften Treibstoff von den großen Ölgesellschaften und boten den Autofahrern mobile Pumpen an. Erst als die großen Ölgesellschaften den Aufbau von Tankstellen als ein Geschäftsmodell entdeckten und massiv in ein effizientes Netz investierten, stieg die Zahl der Automobile rasant an. Der Journalist Joe Nocera beschreibt diese Entwicklung anschaulich anhand der Historie des Model T von Ford.

In Deutschland entstanden Tankstellen erst ab den 1920er Jahren. Während des Nationalsozialismus forcierte der Staat den Ausbau im Rahmen seines Vorzeigeprojektes „Reichsautobahn“. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte das Wirtschaftswunder einen Boom für das Tankstellengeschäft. 1950 gab es in Deutschland eine halbe Million Autos, zehn Jahre später waren es bereits 3,7 Millionen, bis 1970 stieg die Zahl noch einmal um fast zehn Millionen an.

Ist es also an den Energieversorgern, der Elektromobilität zum Erfolg zu verhelfen?

Energieversorger als Geburtshelfer

Die Branche könne mit dem prognostizierten Anstieg der Elektroautos endlich einen Fuß in die Tür des begehrten Verkehrssektors bekommen, versucht die Beratungsgesellschaft Deloitte den Energieversorgern das Geschäft schmackhaft zu machen. Elektromobilität lohne sich nicht nur wegen der erhöhten Nachfrage nach Strom. Mit ihrer Speicherkapazität könnten Elektromobile auch dazu beitragen, eine Reihe von Herausforderungen zu lösen, allen voran die Optimierung von Energieverbräuchen. Spitzenlasten könnten abgefangen, das Stromnetz bei Unterversorgung stabilisiert und der Anteil von regenerativem Strom maximiert werden. Elektroautos könnten sogar ein gewisses Maß an Kundenbindung erzeugen und den Versorgern helfen, eine Reihe neuer Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen.

Zweifellos haben die Energieversorger in den vergangenen Jahren die grundlegende Ladeinfrastruktur geschaffen. Sie betreiben drei Viertel der 17.400 Ladepunkte.

Schwarzer Peter geht an die Hersteller

Mit den vorhandenen Ladepunkten werde die Empfehlung der EU-Kommission von zehn Autos je Ladepunkt übertroffen, weist die Energiewirtschaft die Schuld von sich. Sie sei in Vorleistung gegangen, obwohl der Betrieb von Ladesäulen wegen der geringen Anzahl von E-Autos noch nicht wirtschaftlich sei. Die Automobilindustrie müsse jetzt endlich nachziehen und E-Autos auf den Markt bringen, die in Preis und Leistung attraktiv seien, fordert der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.

Ist der Staat gefragt?

Häufig investierten die Versorger nur aus Imagegründen in die Ladeinfrastruktur, beobachtet PwC. Staatliche Fördermittel seien zwar vorhanden, die anfallenden Kosten würden jedoch nicht vollständig übernommen. Deshalb lohne es sich noch nicht, im größeren Rahmen zu investieren. Durch die Übertragung der entstehenden Kosten auf die Netzentgelte oder durch die Übernahme durch andere öffentliche Umlagesysteme könne sich dies ändern. Dann würde der heute eher reaktive Ausbau der Ladeinfrastruktur zum echten Treiber für Elektromobilität.

Bis zu unserem Hotel in Rothenburg waren es nur noch etwas mehr als 20 Kilometer und damit befanden wir uns mittendrin in einer Region, die als „liebliches Taubertal“ beworben wird.